The Bassarids

Hans Werner Henze  The Bassarids

Opera seria mit Intermezzo in einem Akt (1966)
Libretto von Wystan Hugh Auden und Chester Simon Kallman nach Die Bakchen (406 v. Chr.) des Euripides

Neuinszenierung

In englischer Sprache
mit deutschen und englischen Übertiteln

Dauer der Oper ca. 2 Stunden 50 Minuten

LEADING TEAM

Kent NaganoMusikalische Leitung
Krzysztof WarlikowskiRegie
Małgorzata SzczęśniakBühne und Kostüme
Felice RossLicht
Denis GuéguinVideo
Claude BardouilChoreografie
Christian LongchampDramaturgie

BESETZUNG

Sean PanikkarDionysus
Russell BraunPentheus
Willard WhiteCadmus
Nikolai SchukoffTiresias / Calliope
Károly SzemerédyCaptain / Adonis
Tanja Ariane BaumgartnerAgave / Venus
Vera-Lotte BöckerAutonoe / Proserpine
Anna Maria DurBeroe

Rosalba Guerrero TorresTänzerin und Choreografin (Solo)
Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Huw Rhys JamesChoreinstudierung
Wiener Philharmoniker

ZUR PRODUKTION

Ein Mann (ist er ein Scharlatan oder ein Halbgott?) kehrt an seinen Geburtsort zurück und bringt die Hierarchie der Werte durcheinander. Eine der glanzvollsten Städte Griechenlands stürzt durch ihn in Anarchie. Niemand kann ihm widerstehen. Nicht einmal der junge König, sein Cousin. Der Mann ist gekommen, um sich zu rächen, mithilfe der Maßlosigkeit und des betörenden Rausches. Dieser Sturm, diese Seuche, mit anderen Worten diese neue Religion, kann nur im Ruin Genugtuung finden. Freiheit und Lüsternheit sind die verführerischen Fallen, die der Mann auslegte und die die Stadtbewohner bezauberten. Am Schluss wird er inmitten eines Trümmerhaufens seinen Gott anflehen, er möge seiner Mutter (die bei seiner Geburt gestorben ist) das ewige Leben gewähren.

Man könnte die Geschichte auch folgendermaßen erzählen: Ein junger König kommt an die Macht. Sein Großvater ist der Gründer der reichen und angesehenen Stadt. Der junge König, düster und streng, erklärt nach einigen Tagen des Stillschweigens, dass er von nun an jeden Kontakt mit Frauen ablehne und dem Genuss von Wein und Fleisch entsage. Er missbilligt außerdem alle Andachtsbekundungen am Grab seiner Tante – der Schwester seiner Mutter –, die von einigen verehrt wird, weil sie einem Kind aus der Liaison mit einem Gott das Leben schenkte. Der junge König ist aber nur dem Schein nach stark. Tatsächlich ist er schwach und einsam. Und von seiner Mutter besessen. Das Auftauchen des Mannes (ist er ein Scharlatan oder ein Halbgott?), seines Vetters, stellt für ihn die Begegnung mit seinem negativen Spiegelbild dar. Er wird ihm nicht lange widerstehen können. Der junge König begibt sich auf einen qualvollen Todespfad und verlangt, seine Mutter in ihrer lustvollen Ekstase zu beobachten.

Dieser Mann (ist er ein Scharlatan oder ein Halbgott?) wird Dionysos genannt. Der junge König, der seinem Großvater Kadmos nachfolgt, heißt Pentheus. Die beiden Cousins, Dionysos und Pentheus, geraten in einem tödlichen Zweikampf aneinander. Der Zweikampf ist jedoch ein ungleicher. Einzig der junge König glaubt, dass er sich mit Dionysos messen könne. Aber niemand kann ihm widerstehen. Auch nicht Agaue, Pentheus’ Mutter, die als eine der ersten die Stadt verlässt, um auf dem Berg ausschweifende Gelage – Bacchanale – zu feiern. Sie ist es, die wie in Trance den Körper ihres Sohnes zerstückeln und ihm den Kopf abschlagen wird. Pentheus, der sich auf Anraten von Dionysos als Frau verkleidet hat, ist nur mehr ein Objekt in den Händen dieses Mannes (ist er ein Scharlatan oder ein Halbgott?).

Pentheus und Agaue, Dionysos und Semele – zwei Söhne und zwei Mütter. Zwischen inzestuöser Begierde und unerträglicher Trauer schwankend, verbindet die beiden verfeindeten Cousins die zwanghafte, außergewöhnliche Liebe zu ihren Müttern, die von den anderen missbilligt und verwünscht wird; eine wahnhafte Leidenschaft, die zur Vernichtung führt.

Hans Werner Henzes Oper wurde 1966 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt. Durch ihren musikalischen Reichtum, ihre evokative Kraft und dramaturgische Originalität zählt sie zu den bedeutendsten Opern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Für die Salzburger Neuproduktion behält Regisseur Krzysztof Warlikowski die Uraufführungsfassung mit dem Intermezzo „Das Urteil der Kalliope“ bei, eine mise en abyme der Begierden des Pentheus und seiner Mutter, die oft gestrichen wird.

Die Bakchen des Euripides – auf die sich Henzes Oper bezieht – zählt zu den letzten Werken des großen griechischen Dramatikers. Er beendete die Arbeit wohl erst kurz vor seinem Tod – im Jahre 406 vor Christus. Eine hartnäckige Legende überdauerte die Jahrhunderte: Euripides sei im Exil in Makedonien von den Hunden des König Archelaos I. getötet und aufgefressen worden. Dieser schreckliche Tod erinnert ganz offensichtlich an jenen von Pentheus – sowie an Aktaion, der von seinen eigenen Hunden zerfleischt wurde. Pentheus sah, was er nicht sehen durfte – so wie Aktaion, der im Wald die nackte Diana mit ihren Jungfrauen überraschte. Euripides offenbarte in seinem Drama einen Teil des düsteren Wesens der menschlichen Leidenschaften: Über so viel Weitblick waren die Götter verärgert und übten Rache …

Christian Longchamp

Fotos: Ewa Blauth