Der Wildschütz

Dorfschullehrer Baculus hat einen Bock geschossen und damit ein heilloses Durcheinander ins Rollen gebracht: Ein Baron gibt sich als Stallbursche aus und eine Baronin maskiert sich als Bauernmädchen. Ein Graf verliebt sich in seine eigene Schwester und eine Gräfin in ihren eigenen Bruder. In diesem Verwirrspiel von Wildschützen und Schürzenjägern jagt jeder seinen eigenen Interessen nach, bis endlich die Stimme der Natur alle Beteiligten zur Vernunft bringt.

Albert Lortzing war ein Theatertalent, wie es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kaum ein anderes gegeben hat. Als Schauspieler, Sänger, Dirigent, Librettist und Komponist hatte er nicht nur ein sicheres Gespür für Dramaturgie und Bühnenwirksamkeit, sondern traf auch zielsicher den Geschmack seines Publikums und das, ohne sich jemals schmeichelnd anzubiedern. Ganz im Gegenteil demaskierte er in seinen Werken bürgerlich-selbstgerechte Scheinmoral und adelige Sittenlosigkeit, blieb aber, trotz beißenden Scharfblicks, stets galant und übte seine Gesellschaftskritik anhand hinreißend-liebenswürdiger Bühnenfiguren. Für seinen »Wildschütz« zog Lortzing August von Kotzebues Schauspiel-Erfolg »Der Rehbock oder die schuldlosen Schuldbewussten« heran, arbeitete es zu einem situationskomischen, rasant-beschwingten Opernlibretto um und unterlegte ihm die reifste Musik seiner Komponistenkarriere. Das Publikum der Leipziger Uraufführung durfte sich am Silvesterabend des Jahres 1842 auf die Darbietung einer gehaltvollen, niemals bloß gefälligen Spieloper freuen, in dem der brillante Theaterpraktiker alle Konventionen der damaligen Bühnenklischees und -traditionen wirkungsvoll bediente. In der Inszenierung des österreichischen Regisseurs Georg Schmiedleitner wird die liebevoll-bissige Verwechslungskomödie um Triebe und Liebe auch heute noch zu einem kurios-raffinierten Theaterspaß.

Foto by: Susanne Brill