Sommergäste

Salzburger Festspiele
von Maxim Gorki , Übersetzung von Arina Nestieva
Premiere 31.07.2019

Leading Team

BESETZUNG

Eine Gruppe gebildeter, gut verdienender Großstädter verbringt den Sommer auf dem Land und vertreibt sich die lähmende Langeweile mit intensiven Gesprächen und viel Alkohol. Ein Schriftsteller kommt zu Besuch. Warwara, die Frau des kriminellen Rechtsanwalts Bassow, fühlt sich zu ihm hingezogen und lässt dafür den reichen Müßiggänger Rjumin abblitzen, der ihr verfallen ist. Suslow, ein Bauingenieur, blickt mit zunehmender Verständnislosigkeit auf die Affären seiner Frau. Die mehrfache Mutter Olga schwankt zwischen dem Hass auf ihren Mann, einen erfolglosen Klinikleiter, und auf sich selbst. Die patente Ärztin Marja schließlich verliebt sich in den wesentlich jüngeren Wlas, der ihre Gefühle sogar erwidert. Ein alternder Fabrikant sucht vergebens Anschluss, und eine junge Künstlerin verliert sich in apollinischen Höhen.
Gorkis Sommergäste lassen ein unglaubliches Potenzial für eine reflektierte Gesellschaft der Zukunft erkennen. Die intellektuelle Kraft der Menschen, die hier zusammenkommen, ist enorm. Sie durchdringen die eigene Existenz mit analytischer Schärfe und stellen die richtigen Fragen, handeln aber nicht. Stattdessen verstricken sie sich hochemotional in ihre jeweiligen Gedankenwelten. Sublimation statt Aktion. Sie sehnen sich nach einer erfüllten Zukunft – nach erlösender Liebe und einer sinnvollen Aufgabe. Konfrontiert mit unangenehmen Tatsachen, reagieren sie jedoch nicht adäquat. Unter der Oberfläche des niveauvollen Gedankenaustauschs lauern Gleichgültigkeit, Kälte und Egoismus. Einen Ausweg aus diesem Dasein scheint es nicht zu geben.
„Es ist nicht verwunderlich, dass die Revolution sich nach der Lektüre Gorkis entzündete. Irgendjemand musste mit einer Keule auf diese Welt draufhauen“, schrieb der russische Politprovokateur und Schriftsteller Eduard Limonow 2003 in Das andere Russland. Tatsächlich wurden die Sommergäste im November 1904, nur wenige Monate vor der Russischen Revolution uraufgeführt. Mehrfach kam es zu politischen Demonstrationen im Theater – Zuschauer verlasen etwa Aufrufe, die Regierung zu stürzen –, weshalb Gorki notierte: „Die Aufführung der Sommergäste war ein Skandal und ich bin zufrieden. Das Stück ist nicht besonders, aber ich habe getroffen, wohin ich gezielt habe!“ Die Handlungsunfähigkeit der hier porträtierten Oberschicht muss also gelesen werden als Lethargie im Angesicht des eigenen, unmittelbar bevorstehenden Untergangs. Hätte das Drama einen fünften Akt, würde das Ende der zaristischen Autokratie fast allen Figuren auch die materielle Lebensgrundlage entziehen. Doch noch ist nichts passiert, und so bleibt Raum für existenzielle Gespräche.

Es inszeniert der 1980 in Kasachstan geborene Evgeny Titov, dessen Arbeiten eine präzise und eigenständige Regiehandschrift auszeichnen und der seine Bilder aus dem Bereich der Tiefenpsyche schöpft. Die Nähe zu Maxim Gorkis Werk ist ihm eingeschrieben, denn Titov absolvierte zunächst eine Schauspielausbildung an der Theaterakademie Sankt Petersburg und arbeitete mehrere Jahre lang als Schauspieler in Russland, bevor er ein Regiestudium am Max Reinhardt Seminar in Wien begann. Seine bisherigen Inszenierungen – unter anderem für das Düsseldorfer Schauspielhaus, Staatstheater Wiesbaden, Landestheater Linz – haben beim Publikum wie im Feuilleton großes Interesse erregt. 2020 wird er sein Operndebüt am Hessischen Staatstheater Wiesbaden und 2021 an der Komischen Oper Berlin geben.

Foto by Ewa Blauth