Zwei Geschwister früh morgens in einem Rathaus. Zwischen ihnen liegt ein Sack mit der Leiche ihres Bruders. Zwei Geschwister, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die eine Bürgermeisterin dieser Stadt, der andere eine Art Lebenskünstler, der sich mit verschiedenen Jobs über Wasser hält. Bisher ging man einander so gut es ging aus dem Weg. Jetzt hat die Bürgermeisterin ihren Bruder um Hilfe gebeten, die Bruderleiche heimlich ins Rathaus zu schaffen, sie fürchtet um ihre Stellung. Immerhin handelt es sich bei dem toten Bruder um einen Selbstmörder, der andere verletzt und mit in den Tod gerissen hat. War es ein verunglückter Selbstmord? War er depressiv? Oder war er, wie es Gerüchte verbreiten, ein Attentäter? Zusammen verstecken die beiden den Leichensack in der großen Rathaustruhe, in der im Laufe der Geschichte schon so manches entsorgt wurde. Sogar Luther habe sich einmal vor seinen Verfolgern darin verstecken müssen, heißt es. Es gibt Mutmaßungen, nach denen man Hitlers Leiche in dieser Kiste zuletzt aus dem Bunker transportieren wollte, bis hin zu der kruden Vermutung, dass Stalins Schnurrbart heimlich in der Truhe aufbewahrt wurde. Draußen bebt eine Welt, in der nichts leichter zündet als Gerüchte. Die Bürgermeisterin steht kurz vor den Wahlen. Der Druck der Straße wächst. In Kürze soll im Rathaussaal die Trauerfeier für die Opfer stattfinden, auf der sie eine Rede halten muss. Um sie herum versammelt sich eine Gesellschaft, die in jeder Hinsicht miteinander verstrickt ist. Die Versammelten ringen um eine Schweigeminute, die letztendlich zum Hochdruckkessel gerät, in dem es längst nicht mehr um die Toten geht. Jeder kocht sein eigenes Süppchen. Die Toten dienen nur noch als Projektionsfläche für eigene Paniken, für weltanschauliche Obsessionen oder politisches Überleben. Je mehr sie sich voneinander absetzen wollen, desto grotesker offenbart sich aber auch, wie sehr sie einander bedingen.
Theresia Walser
Theresia Walser ist eine der erfolgreichsten deutschen Gegenwartsdramatikerinnen. Sie erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Für ihr Theaterstück King Kongs Töchter wurde sie in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Theater heute zur besten deutschsprachigen Autorin gewählt. Mit Burkhard C. Kosminski, der vor Die Empörten bereits viele ihrer Stücke zur Uraufführung brachte, verbindet sie eine enge Zusammenarbeit. Burkhard C. Kosminski studierte Schauspiel und Regie in New York. Er war leitender Regisseur und Mitglied der künstlerischen Leitung am Düsseldorfer Schauspielhaus, Schauspielintendant des Nationaltheaters Mannheim und leitet seit 2018 als Intendant das Schauspiel Stuttgart. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist das zeitgenössische Autorentheater.
Fotos by Ewa Blauth für fjsmedia
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